Filmkritik: Tim Burton will auf „Die Insel der besonderen Kinder“ (Spoilerfrei)

Tim Burton: Dieser Name stand lange Zeit für clevere und schräge Kinounterhaltung kombiniert mit einem einzigartigen visuellen Erzählstil. Leider konnte Jonny Depps geheimer Lieberhaber mit seinen letzten Werke nie ganz an den Film-Mythos anknöpfen, den er sich mit skurilen Werken, wie „Big Fish“, „Ed Wood“ oder „Edward mit den Scherenhänden“ selbst erschaffen hat.

Waren „Alice im Wunderland“ oder „Dark Shadows“ zwar optisch in Burtons Welt angesiedelt, fielen sie erzählerisch eher flach und unausgewogen aus. Trotzdem stirbt die Fanhoffnung immer erst zuletzt und immer, wenn der Mann mit der krausen Frisur zurück ins Fantasy Genre hüpft, betet man dafür, dass er seine Film Magie wiedergefunden hat. Und die Zutaten für seinen neuesten Film scheinen da zuerst einmal zu stimmen.

Die Buchvorlage von „Die Insel der besonderen Kinder“ („Miss Peregrine’s Home for Peculiar Children„) hätte nämlich laut Autor Ransom Riggs und seinen Fans auf keinen Regisseur besser zugeschnitten sein können. Kritiker haben besonders die Exzentrik und gut geschriebenen Charaktere gelobt. Und obwohl ich es selbst nie gelesen habe, wurde es mir auch von Freunden und Kollegen wärmstens ans Herz gelegt. Reicht das also, um Tim Burton zurück auf die Spur zu bringen? Bevor diese Frage beantwortet wird, sollten vielleicht erst noch ein paar Worte zum Inhalt des Films fallen.

Worum geht es?

Im Groben geht es mal wieder, um einen jungen Teenager (mit Ottonormalheldennamen Jake), der sich nicht wohl in seiner Haut fühlt und überall nur als Außenseiter darsteht. Als sein Opa unter mysteriösen Umständen getötet wird und ihm niemand die Geschichten glaubt, die er von dem alten Mann immer gehört hat, wird er erst mal zum Therapeuten geschickt. Als letzte Therapiemaßnahme geht es dann mit seinem etwas unterbemittelten Vater auf eine Insel, auf der das alte Heim steht, in dem sein Opa aufgewachsen ist. Hier soll er sehen, dass nichts von dem wahr ist, was er immer geglaubt hat. Pech nur, dass Jake am Ende doch das in einer Zeitschleife eingeschlossene Heim für besondere Kinder (eine Art Prof. Xaviers Institut für begabte Schüler) der ebenso begabten Miss Peregrin findet. Er wird in einer Welt hineingerissen, in der Samuel L. Jackson mal wieder den Bösewicht gibt und in der der „Mutanten“ (es wird in der Tat an einer Stelle von Genen gesprochen) ums Überleben kämpfen müssen.

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Was macht die Besetzung?

Was nach X-Men klingt und aussieht, hat zwischendurch durchaus einige Parallelen zu Marvels Mutanten Universum. Zum Glück kann sich dieser Teil der Geschichte gut genug von der Comic Konkurrenz abgrenzen, so dass es dem Zuschauer am Ende nicht wirklich stört, dass hier wieder einmal Kinder mit Superkräften rumrennen. Auch die Schauspieler machen ihre Sache größtenteils gut. Asa Butterfield („Ender’s Game„) spielt für mich zwar etwas zu zurückhaltend, aber die Chemie zwischen ihm und Ella Purnel als schwebender Love-Interest Emma  passt.

Der Rest des Cast liefert eine gewohnt solide Performance ab. Den Part der geheimnisvollen, aber anziehenden Heimleiterin kann Eva Green aus dem FF. Ähnliche Rollen hat sie bereits zur Genüge in „Penny Dreadful„, „Dark Shadows“ oder „Sin City 2“ gespielt. Samuel L. Jackson gibt Samuel L. Jackson. Ein kleiner Gastauftritt von Judi Dench ist ohne große Bedeutung. Der aus „The IT Crows“ bekannte Chris O’Dowd als erfolgloser Vater und Vogelbuchautor ist mein persönlicher Liebling im Film. Der alte Nerd hat es drauf unangenehme Menschen zu spielen ^^.

Und der Film an sich?

Tim Burton schafft es die erste Hälfte des Films spannend und gewohnt skurril umzusetzen. Wie so oft in seinen Filmen, ist die Hauptfigur eher der Normalo, während seine Umgebung seltsamer nicht sein könnte. Bis zu dem Zeitpunkt, an dem Jake das erste Mal das Heim von Miss Peregrin besucht und wieder verlässt, kann man von einem stimmigen Film reden. Danach nehmen Unlogik und sinnfreie Entscheidungen aller Charaktere leider stetig zu. Das letzte Drittel ergießt sich dann im schleppenden Actionszenen und Standard Storywendungen, sowie allerlei Teenie Drama.

Tim Burton sollte man außerdem nicht mehr an Action-Szenen ranlassen. In den 90ern mögen träge Schnitte und viel Übersicht noch Standard gewesen sein, aber in Zeiten von Transformers und Crank, wirken zurückhaltende Übergänge sehr träge. Das Finale hätte viel, viel besser ausfallen können, wenn ein Action-erfahrener Regisseur und Cutter davor gesessen hätte.

© 2016 Twentieth Century Fox
„Miss Peregrine’s Home for Peculiar Children“ © 2016 Twentieth Century Fox

Nach „Sweeney Todd“ scheint Burton auch irgendwie verlernt zu haben, Geschichten kohärent zu Ende zu erzählen. In den letzten 45 Minuten hat der Zuschauer das Gefühl Entwicklungen zu verpasst oder charakterbildende Szenen übersprungen zu haben, weil Figuren sinnfreie Entscheidungen fällen und der Film von Szenerie zu Szenerie springt. Als hätten die Filmemacher plötzlich gesehen, dass nur noch ein Viertel der Laufzeit übrig ist und noch 80% der Story erzählt werden müssen.

Trotz diverser Logiklücken kann sich der Zuschauer wenigstens auf einen Burton-sicheren-Punkt verlassen: Die Optik. Denn die ist wie immer sehr fantasievoll und originell, auch wenn die Hauptantagonisten etwas flach wirken und nichts wirklich Neues bieten. Der Rest der Bilder verzückt den Kinobesucher jedoch regelmäßig mit der gewohnten Burton-Optik und angenehmen Einfallsreichtum. Die CGI Qualität könnte an einigen Stellen hochwertiger sein, aber insgesamt wirkt das visuelle Gesamtbild sehr stimmig. Und eine offensichtliche Hommage an „Armee der Finsternis“ hat mich im verkorksten Finale wenigstens ein paar Mal schmunzeln lassen. Das 3D kann man mal wieder komplett vergessen. Eine einzige Szene nutzt die Vorzüge der Technik, ansonsten entbehrt sie jeder Relevanz.

Und unterm Strich?

Soll man für „Die Insel der besonderen Kinder“ Kino-Geld ausgeben? Als Tim Burton Hardcore Fan oder Buchkenner: Vielleicht. Als jemand, der den Trailer interessant fand und mal Fantasy im Kino sehen will? Eher nein. Wartet auf „Findet Dory“ und spart euch die 15€ für eine 3D Vorstellung. Man kann sich den Film angucken und er hat ein paar nette Stellen und etwas Burton Flair, aber hebt ihn euch lieber für einen Blu-Ray oder DVD Abend auf. Was am Ende bleibt, ist die Erkenntnis, dass Tim Burton auch mit diesem Werk nicht an alte Glanzzeiten anknüpfen kann. Während die erste Hälfte des Films Lust auf mehr macht, enttäuscht der Abschluss um so mehr und man wünscht sich, dass man das Potential des Stoffes etwas mehr hätte ausschöpfen können.

Fazit: 6 von 10 Gummipunkten!

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