Kommentar: New Trek – eine Annäherung

Ein Kommentar zum Markenkern von Star Trek

Ist das noch Trek oder kann das weg?

ACHTUNG: Triggerwarnung

In unserem letzten Star Trek Podcast über Star Trek Picard wurde es etwas lauter. Während Michael, wie einst Antonio Salieri die Mittelmäßigkeit feiert, hadere ich (Chris) mit dem was sein könnte, aber nicht ist. Hier befinden die sich Nerds bereits in unterschiedlichen Phasen der Trauer. Doch woher rührt diese Enttäuschung? Warum fällt es vielen schwer mit New Trek warmzuwerden? Der Versuch einer Analyse.

 

„Star Trek“ war immer latent geekig bzw. nerdig. Damals, als „Nerd sein“ noch uncool war.  Ja, „Star Trek“ war sogar das Synonym für „Klischee-Nerds“. Warum? Weil es anders war, weil es weniger auf Bumm Bumm Bumm und Schießerei setzte, sondern auf (meistens) clevere Lösungen / Ansätze. Überspitzt formuliert: Der Mainstream glotzte „Star Wars“ (inkl. dem Autor) & Fast and the Furious (das aber nicht!), der Connaisseur und Nerd konsumierte „Star Trek“.

 

Ich denke, daher kommt der Umstand, dass viele bekannte / erfolgreiche wissenschaftliche Persönlichkeiten, bis heute „Star Trek“ als Inspiration für ihren beruflichen Lebensweg angeben. Nun ist diese Zielgruppe zwar einerseits sehr treu, aber auch endlich. Zu allem Überfluss legt es New Trek nicht darauf an diese Zielgruppe zu erreichen. New Trek inspiriert niemanden mehr – zu gar nichts!

 


Kennst Du schon Trek Nerds, den deutschen Star Trek Podcast


 

TV vs Kino

„Star Trek“ im Kino war immer etwas seichter, zugänglicher, actionlastiger, mainstreamiger. Das konnte, durfte und musste es auch sein. Warum? Weil „Star Trek“ so sehr in der Popkultur verankert war bzw. ist, das jeder Kinogänger wusste, wer Kirk und Spock sind. Das reicht für 2h Kinounterhaltung locker aus. Sogar TNG hatte noch einen ähnlichen Effekt auf „Normalos“: Picard kennt fast „jeder“, u.U. noch Data und/oder Riker, aber dann, sind wir mal ehrlich, wird’s dünn. Mit Voyager & Deep Space Nine wurde es dann wieder geekiger und nach Enterprise (ENT) war „Star Trek“ de facto tot.

 

2009 zuckte der Patient „Star Trek“ dann wieder – abermals im Kino. Warum? Man kramte einfach Spock und Kirk raus – die kannte noch „jeder“ von damals. Schnell den Effekten ein Update verpasst und in bester J.J. Manier den Zuschauer mit Bildern zugeballert, damit dieser bloß keine Zeit hat, das Gesehene zu verarbeiten oder gar zu hinterfragen (was auch bei mir gewirkt hat). Die „neue“ Timeline, hat der durchschnittliche Kinobesucher gar nicht mitbekommen und wir Trekkies waren froh, dass überhaupt was passiert – Kanon hin oder her. Ja, der Trekkie kann sich sehr vieles schönreden.

Aber schon Film 2 und 3 waren nicht mehr so der Renner – Fans waren nicht 100% überzeugt von der Khan-Nummer und Normalos haben das Gesehene schon gar nicht mehr gerafft bzw. waren verwirrt.

 

Anfang vom Ende?

Und irgendwann um diese Zeit nahm das Elend dann seinen Lauf. Resultat: man versuchte nun das Kinopublikum via Streaming zu erreichen, mit den Methoden des Kinos und einem dreisten Ideenklau bei allem, was derzeit im Streaming (vermeintlich) und jemals im Sci-Fi erfolgreich war und ist. Von Blade Runner, über Alien, von The Expanse bis Dune – die Macher kkopieren bei allem, was ihnen dienlich erscheint – und zwar egal, ob das zum Markenkern von Star Trek passt oder nicht. Eigene Ideen? Fehlanzeige!

 

Star Wars Checkliste aus einem Making Off
Zutaten: Star Wars Checkliste für Episode 7 aus einem Making Off

 

Um es etws anschaulicher zu mache, ein Beispiel: Stellt euch vor,  Porsche würde ab sofort Kleinwagen für 9.999€ bauen. Klar, kann man machen, das wird aber die Kernkundschaft verprellen. Dazu kommt noch, das jeder den Billig-Porsche belächeln wird und andere Hersteller, welche schon immer Kleinwagen fertigen, es wahrscheinlich wesentlich besser hinbekommen. Mittelfristig haste die Marke Porsche nachhaltig beschädigt, kaum neue Kunden gewonnen, dafür aber die treuen Fans verprellt. FAIL!

 

Und exakt das passiert gerade mit „Star Trek“. Die Macher schauen „was läuft grade“ (vermeintlich Gewalt, Sex, Action) und arbeiten stumpf diese Liste ab. Damit die Trekkies als „Füllmaterial“ brav einschalten, wurschelt man irgendwas oder irgendwen von damals in die Story (bzw. in den Trailer) – merkt eh keiner, dass das nur heiße Show-Luft für den Trailer war. Als Feigenblatt kommen dann ein paar Insidergags & Kanonverweise rein, getreu dem Motto: „Was wollt ihr Nerds eigentlich? Nehmt das und nervt jetzt nicht weiter!“

 

Ob aber das gezeigte zur Marke „Star Trek“ passt, ist völlig zweitrangig. Hauptsache Streams und Abos!

 

Kognitive Dissonanz und Scheinargumente

Was mich allerdings erschüttert, ist die kognitive Dissonanz bzw. eher ein massiv grassierender Back-Fire Effekt unter Fans des New Trek. Wie äußert sich das? Einem Aluhut nicht unähnlich, ist manch Trekkie sachlichen Argumenten scheinbar gar nicht mehr zugänglich.

 

MAchen wir auch das wieder an einem Beispiel klar: Wenn man über Space Odyssee 2001 von Stanley Kubrick sagt, es wäre ein Meisterwerk und Klassiker der Scifi, so gibt es dafür objektive (weil belegbare) Gründe. Diese liegen außerhalb der Willkür des Einzelnen. Drehbuch, Regie, Effekte, Soundtrack und Schnitt haben hier Maßstäbe für das Kino gesetzt und es lässt sich im Einzelnen erklären, warum dieser Film so berühmt und beliebt ist. Er gehorcht den Regeln der Kunst und bricht diese bzw. schafft neue. Man kann erklären, was die besondere Leistung hinter diesem Film ist, und zwar jenseits aller Fragen des persönlichen Geschmacks. Natürlich kann den Film langweilig finden oder damit nichts anfangen, aber ein ernstzunehmendes Review dieses Films muss anerkennen, dass hier herausragend gearbeitet wurde.

 

Im umgekehrten Fall, kann /darf einem Discovery & Picard natürlich gefallen, obwohl diese (nachweislich) schlecht gemacht ist. Nur sollte man dazu stehen, dass man entweder nicht das Wissen / Gespür / Willen besitzt zu erkennen, dass man einem schlechten Produkt auf den Leim gegangen ist oder es einfach als  persönliches „Guilty Pleasure“ anerkennen. Aber eben so zu tun als, ob diese Serien auch objektiv gut gemacht wären, beleidigt jedes wirklich herausragende Werk.

 

Ich habe auch ein Faible Trash und schaue gerne, The Walking Dead, Dschungelcamp, den Eurovision und (früher mal) „Schwiegertochter gesucht“ – und zwar genau für das, was es ist – (Edel)Trash. Doch mehr wollen diese Formate auch nicht sein und das, was sie sein wollen, das bedienen sie in Perfektion. Doch die Neuauflagen von „Star Trek“ fallen (Lower Decks ausgenommen) nach allen Regeln der Film- und Serienkunst durch. Laut, bunt und teilweise unappetitlich sein ist keine Leistung und dreistes Kopieren nicht gleich eine Hommage. Und das kann man (wir versuchen das in unserem Star Trek Podcast) objektiv nachweisen.

 

Konfrontiert mit diesen oder ähnlichen Argumenten kommt als Antwort im Grunde nie eine wirklich stichhaltige Gegenrede. Vielmehr folgt i.d.R eines der folgenden Scheinargumente:

 

  1. Typisch alte Fans, immer was zu meckern
  2. Egal was die machen, ihr meckert ja eh immer
  3. Früher war auch viel Mist dabei / ersten Staffeln bei „Star Trek“ waren nie gut
  4. Pauschale frauenfeindliche und/oder homophobe Unterstellungen bei Kritik z.B. am Charakter der Michael Burnham
  5. Sei doch einfach froh das Star Trek zurück ist DU HATER

 

Auf der Habenseite wird standardmäßig mit dem Dreiklang aus „Aber es sieht fantastisch aus„, „die Musik ist super“ und „tolle Schauspieler“ argumentiert; gern noch ergänzt durch ein „bei Star Trek ist die erste Staffel immer Mist„. Aber schauen wir uns diese Argumente doch einmal im Detail an:

Der erste vermeintliche Pluspunkt (Optik) hat sich spätestens mit Star Trek Picard und dem billigen Set- und Prop Design erledigt. Das zweite Asset (Musik) ist Geschmackssache. Aber machen wir doch einfach mal die Probe aufs Exempel: Kann jemand spontan die Melodie zu Disco oder Picard pfeifen? Nein? Ladies and Gentleman, i rest my Case!

 

Der dritte Punkt (Schauspieler) sollte bei den Budgets eine Selbstverständlichkeit sein. Leider sind, (zumindest bei Picard) die Cameos für die wenigen Lichtblicke verantwortlich. Bleibt noch der Hinweis auf die „schlechten ersten Star Trek Staffeln“: Aber kann man wirklich noch so argumentieren, wenn unzählige andere Serien es schaffen, ab Start zu überzeugen? (vgl. Game of Thrones, WestWorld, Haus des Geldes, Better Call Saul, Fargo, Russian Doll, Fleabag, Dark, Stranger Things, Good Omen, The Expanse u.v.m). Allen voran zeigt eine Serie wie „The Mandalorian“ wie, man eine Fanbase versöhnen kann. Vielmehr muss die Gegenfrage gestellt werden: „Warum haben die Macher aus fünf Star Trek Serien, immer noch nichts gelernt?“ 

 

Ab und an kommt dann der Hinweis auf die starken Frauenfiguren. Sicher nicht zu Unrecht – es gibt noch viel zu wenig weibliche Helden (und diverse schon gar keine)! Doch hier haben Janeway & Kira meine Meinung nach, mehr für den Feminismus getan als Michael, Number One und Raffi zusammen. Ich habe wahrlich kein Problem mit weiblichen Charakteren in Charge (s.o.), sondern mit schlecht geschrieben Charakteren in Charge – egal, welchen Geschlechtes. Aber, was weiß ich „old white cis whatever Dude“ schon. Zurück zu Luc!

 

Doch egal was man auch vorträgt, dass ficht den Kurzmanjünger nicht an, kann er (oder sie) doch auf im Zweifel immer auf Scheinargument 3 („Früher gabs auch Mist“) zurückgreifen.Warum das ein Scheinargument ist fragt ihr Euch? Weil i.d.R. nie jemand behauptet, das „früher“ alles besser war! Nur wenn „damals“ eine Folge ein Stinker war, dann gabs nächste Woche eine reele Chance auf Wiedergutmachung. Aktuell jagt ein Tiefpunkt den Nächsten!

 

Auch in der Debattenkultur muss sich etwas ändern (ein frommer, naiver Wunsch – schon klar). Denn nicht jede abweichende Meinung ist gleich Hate (den es ohne Frage gibt) oder ein persönlicher Angriff auf das Gegenüber.  Doch scheint, als würde der Wunsch nach mehr Inhalt im Inhalt für Viele schon eine Majestätsbeleidigung darstellen. Hier mal für Alle zum Mitschreiben: Star Trek und Kurzman sind nicht sakrosankt! Und bevor jetzt wieder jemand nölt – ja, auch Roddenberry, Berman und Behr nicht! Aber Kurzman und Co. haben nach drei Nieten in Folge einfach nur noch wenig Kredit mehr und doch – eine gute Staffel kann alles wieder ändern.

 

Viele New-Trekkies verbeissen sich geradezu in Kleinigkeiten und vermeintliche Lichtlicke, was teilweise absrude Blüten treibt – „the big picture“ wird einfach ausgeblendet. Man fühlt sich an einen Fußballtrainer erinnert, dessen Mannschaft grade 7:0 verloren hat, welcher aber nicht müde wird im Interview über Schiebung zu schwadornieren, weil „das letzte Tor Abseits war“. Als ob es darum gehen würde…

 

Hoffnung auf Besserung?

Daher droht dem Franchise aber nun Folgendes: die „alten“ Star Trek-Fans werden sauer gefahren (der Eine schneller, der Andere etwas langsamer und manch anspruchslose Natur nie), aber neue Zuschauer kommen dummerweise auch kaum dazu. Ohje, aber warum nicht, wo man doch alles so wie in Game of Thrones produziert hat? Tja, da wären wir wieder beim Markenkern, denn:

 

    1.  Star Trek im TV hat beim Normalo immer noch den Hauch des Nerdigen und
    2. Weil es inzwischen zig Serien gibt, welche Gewalt, Sex, Action einfach besser machen und dazu noch eine gute Story bieten.

 

New Trek hat aktuell nur Gewalt & Action mit etwas Retro-Tünche zu bieten. Und es wird nicht mehr lange dauern, dann kommt Sex auch noch dazu. Dazu man in den USA aktuell noch zu prüde – aber das kommt! Die Verzweiflung muss nur groß genug sein. Mark my words!

 

Ob sich das langfristig auszahlt wird sich zeigen. Aber schon jetzt sieht man, das „Star Trek“ von anderen Serien abgehängt wird (auch so ein Faktum, welches gerne ausgeblendet wird). Aber wenn der harte „Star Trek“ – Kern erstmal verbrannt ist und nichts an Fans nachwächst, ist das Franchise (wieder?) am Ende.

 

Google Trends Serien in Deutschland
Google Trends Serien in Deutschland 2017 – 2020

Wenn das Fandom so gespalten ist, kann wohl kaum alles in Butter sein, oder? – Chris

 

Nun sind wir Nerds (leider) leidensfähig und verzeihen gern (s. The Mandalorian). Aber wenn Star Trek nicht bald wieder zu seinem Kern findet, wird die Schar der Getreuen (alles abnickendes Klatschvieh wird es immer geben) immer kleiner – und das wäre schade um die schöne Utopie.

Just my 2 Cents

Chris

 

4 Antworten

  1. ps: ich würde gerne weiter ausholen, bin aber gerade um urlaub und habe nur mein handy zum tippen, und das macht keinen spaß. deswegen halte ich mich kurz…

  2. was mich interessiert:

    ihr habt ja ab und zu mal einen vom discoverypanel bei euch im podcast zu gast, und die beiden sind ja hervorragend darin, sich discovery und picard schönzureden. und ich kann keinen Der von dir genannten gründe erkennen.

    worin unterscheidet sich deren wahrnehmung von der euren/meiner?

    und warum wird hier jedes wort automatisch groß geschrieben?

    1. Moin Frank,

      1. keine Ahnung warum alles großgeschrieben wird 😉
      2. ich bin mir nicht 100% sicher, ob ich Dir folgen kann. Daher will ich mal etwas ausholen: Zum einen sind wir (trotz inhaltlicher Differenzen) mit Sebastian & Andreas von DP freundschaftlich verbunden. Das kann auch Kurtzman nicht kaputtmachen ;). Zum anderen haben wir jetzt nicht jeden Cast von DP vollständig gehört. Im Rückblick, meinen uns aber recht genau daran zu erinnern, dass Look,die tollen Schauspieler und Musik immer wieder gelobt wurden. Die Jungs schätzen aber besonders an DSC und/oder STP z.b. die diversen geisteswissenschaftlichen Theorien und theologischen Analogien die (deren Meinung nach) anklingen und die man da sicher reininterpretieren kann, aber nicht muss. Ich kann dir in Terminator 2 auch vom Ödipuss-Komplex und bis zur Nibelungensage alles Mögliche reininterpretieren (hab an der Uni sogar gemacht). Aber war das die Intention der Macher? Da hätte ich meine Zweifel.

      Das ist dann wie einst im Deutschunterricht: ist das Haus nun weiß, weil es die Unschuld der Heldin symbolisiert oder weil Häuser in unseren Breiten nun mal zu 90% weiß angestrichen sind? Kannst Dir nun aussuchen – wir sind eben auf der „Häuser sind eben weiß“ -Seite 😉

      Sicher gibts kluge und belesene Köpfe im Writers Room, aber von ST haben die halt keinen Schimmer. Wer mag, darf sich dann gerne an philosophisch, hintergründigen Episodentiteln ergötzen und dort seine humanistische Schulbildung mit befriedigen und auch über Diversity darf man sich freuen. Wir gucken mehr auf den Sinn der Story, Machart, Nachvollziehbarkeit von Handlungen & Co. und müssen konstatieren: ein akademisch verquarzter Episodentitel bringt dann leider auch keinen Mehrwert…

      Grüße,
      Chris

      1. und deswegen bin ich voll bei euch. eure eher Pragmatische sicht der dinge entspricht eher der meinen. trotzdem höre ich das dp weiterhin, ab und zu braucht man halt auch etwas puls… 😉

        weiter so!

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